Reminiszenz an Bernhard Sutor (1930 –2024)

In der Mittelstufe meiner Gymnasialzeit, also etwa 1973/74, kam ein neuer Referendar für Sozialkunde in unsere Klasse, von dem wir als politisierte Schüler dieser Zeit alle sehr begeistert waren. Sein Name war Klaus Engelhart, ein nach meiner Erinnerung hervorragender Didaktiker, der irgendwie mit dafür verantwortlich war, dass ich später selbst in der Politischen Bildung arbeitete. Engelhart wurde für die Ausbildung der Sozialkundelehrer im Studienseminar in Mainz später Nachfolger von Bernhard Sutor. Bernhard Sutor saß damals oft hinten in unserer Klasse und beobachtete den Unterricht oder nahm Lehrproben ab. Mein Schulleiter lehnte es mit Beginn der Oberstufe ab, für uns einen Sozialkunde- Leistungskurs einzurichten. Sozialkunde wurde zu dieser Zeit aus unterschiedlichen Gründen als suspektes Fach angesehen: Politische Bildung wurde als zu gesellschaftskritisches, um nicht zu sagen am Umsturz der Gesellschaft arbeitendes und deshalb für Viele inakzeptables, Fach wahrgenommen. Und der konservative Direktor unseres katholischen Gymnasiums dürfte das genau so gesehen haben. 

Wenn ich die Zusammenhänge damals schon besser verstanden hätte, hätte ich wahrscheinlich den sehr katholischen Bernhard Sutor als Verbündeten angesprochen, um unseren Direktor doch noch umzustimmen. Bernhard Sutor war nicht nur ein herausragender Politikdidaktiker, sondern auch ein sehr anerkannter Sozialethiker. In dieser Kombination war er deshalb auch ein wichtiger Ideengeber und Berater in der außerschulischen politischen Jugend- und Erwachsenenbildung. In den Materialien für politische Bildung, in Praxis Politische Bildung und in Kursiv, also den Zeitschriften, aus denen das heutige JOURNAL für politische Bildung hervorgegangen ist, war Sutor ein gerne gesehener Experte. In meinem privaten Archiv liegt u. a. ein Schreiben von Sutor aus dem Jahr 1998 an den damaligen Geschäftsführer der AKSB, Johannes Tessmer. Bernhard Sutor kommentiert in diesem Schreiben den Entwurf eines neuen Leitbilds der Arbeitsgemeinschaft katholisch-sozialer Bildungswerke AKSB mit wenigen, aber sehr dezidierten und persönlichen Worten:
„In Zeile 45 f. heißt es von der zuvor geschilderten wachsenden Differenzierung der modernen Gesellschaft, daß durch sie die Identitätsbildung des Menschen als Person erschwert werde. Das ist zweifellos richtig, ich würde dennoch empfehlen, sie zunächst positiv auch als Chance zu sehen. Die moderne Gesellschaft bietet uns unbeschadet ihrer Probleme viele Chancen zu personaler Entfaltung, die Menschen früher in dieser Weise nicht hatten.“

Sicher nur mit einem solchen offenen und toleranten Weltbild ausgestattet konnte Bernhard Sutor im Jahr 2002 in der Zeitschrift „Aus Politik und Zeitgeschichte“ auf den Abschnitt der Geschichte der Politischen Bildung zurückblicken, den er durch viele politische Kämpfe mit gestaltet und selbst maßgeblich mit geprägt hat.…

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Der Autor

Benedikt Widmaier war Direktor des Hauses am Maiberg und ist Mitglied der JOURNAL- Redaktion.

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