Zwischenruf: Wir müssen wieder streiten lernen!
Lehren aus den Landtagswahlergebnissen
Die Landtagswahlen in Sachsen und Thüringen haben alarmierende Ergebnisse hervorgebracht, die nicht nur die politische Landschaft, sondern auch die Einstellungen junger Menschen betreffen. Besonders auffällig ist der Anstieg der Stimmen für die AfD unter den 18- bis 24-Jährigen. Diese Entwicklung wirft grundlegende Fragen über die Zufriedenheit junger Menschen mit dem politischen Establishment auf. Gleichzeitig nimmt Streit in Politik und Gesellschaft zu und wird als dekonstruktiv für die Gesellschaft wahrgenommen. In diesem Kontext ist es entscheidend, wie Streit um Positionen und Lösungen positiv gedeutet werden und wie politische Bildung dazu beitragen kann, eine konstruktive Streitkultur zu fördern und junge Menschen zu ermutigen, aktiv an politischen Diskussionen teilzunehmen.
Bei den Landtagswahlen in Sachsen und Thüringen haben viele junge Menschen zwischen 18 und 24 Jahren die AfD gewählt. In Sachsen stieg der Anteil der AfD-Wähler*innen in dieser Altersgruppe um 11 Prozentpunkte auf insgesamt 31 %. In Thüringen wählten 38 % der Jungwähler*innen die AfD, was einem Anstieg von 16 Prozentpunkten entspricht.
Warum wählen junge Menschen die AfD?
Ein zentraler Grund, warum junge Menschen die AfD wählen, ist die Unzufriedenheit mit dem politischen Establishment, das oft als nicht repräsentativ für ihre Anliegen wahrgenommen wird. Die AfD wird als Protestpartei gewählt, um die Frustration mit dem bestehenden System auszudrücken. Die AfD bietet hier mit dem Versprechen die Stimme der „einfachen Leute“ zu sein, eine Alternative. Ein weiterer Faktor ist das Bedürfnis nach Identität und Zugehörigkeit. Die AfD spricht viele junge Menschen an, indem sie ein Gefühl von Gemeinschaft und Zusammenhalt vermittelt. In einer Zeit, in der die Gesellschaft zunehmend polarisiert ist, suchen viele nach einer Gruppe, mit der sie sich identifizieren können. Die AfD bietet diese Zugehörigkeit. Die Rolle der sozialen Medien ist hierbei von erheblicher Bedeutung. Die AfD nutzt diese geschickt, um ihre Botschaften zu verbreiten und junge Wähler*innen zu erreichen.
Unterstützt durch die Funktionslogik kann es so passieren, dass junge Menschen immer weiter in ein geschlossenes Meinungs- und Wertesystem rutschen, das keinen Widerspruch oder Zweifel mehr kennt. Durch gezielte Kampagnen und die Verbreitung von Inhalten, die Ängste schüren, gelingt es der AfD, junge Menschen anzusprechen und für sich zu gewinnen. Themen wie Migration, innere Sicherheit und nationale Identität sind auch für junge Menschen von großer Bedeutung. Die AfD hat sich als Partei etabliert, denen in der Lösung dieser Fragen große Kompetenzen zugeschrieben werden. Konfrontiert mit sozialen und wirtschaftlichen Unsicherheiten bietet die AfD für viele junge Menschen vermeintlich einfache Antworten auf komplexe gesellschaftliche Fragen. Diese Simplifizierung…
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Die Autorin
Veronika Schniederalbers,
Magister Politikwissenschaft und Soziologie, ist Bildungsreferentin im Ludwig-Windthorst-Haus Lingen und Koordinatorin des Schwerpunkts II „Jugendbeteiligung, Demokratie und Menschenrechte“ bei der Arbeitsgemeinschaft Katholisch-Sozialer Bildungswerke (aksb).