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Zeitfenster für politische Bildung (er)öffnen

Erfahrungen aus der aufsuchenden Bildungsarbeit

Politische Bildung kann ihre Ziele nur erreichen, wenn Menschen sich Zeit nehmen und auf ihre Formate, Methoden und Inhalte einlassen. Mitunter wirken diese auf ihre Adressat*innen allerdings kompliziert und weit weg. Zudem fehlt es vielen Menschen – zumindest subjektiv – an Zeit. Ansätze der aufsuchenden Arbeit ­ermöglichen niedrigschwellige Zugänge, setzen aber auch den Mut politischer Bildner*innen voraus, in Angeboten wie dem vermeintlich „klassischen Infostand“ keine Banalität, sondern eine Chance zu sehen.

Seit ca. 1,5 Jahren ist das Gustav-Stresemann-Institut (GSI) mit einem Bildungs- und Informationsstand zu „Wirtschaftswissen akut“ in der Region unterwegs. Die Schwerpunkte der Aufsteller, Informationsmaterialien und interaktiven Elemente variiert: 2023 stand das Themenfeld Preisentwicklung/Inflation im Mittelpunkt, 2024 die europäische Sozialpolitik. Der Stand kann mobil vor Ort schnell aufgebaut sowie durch Onlinematerialien ergänzt und ständig erweitert werden. Zudem ist er auf die örtlichen Begebenheiten anpassbar also modular veränderbar. So gestaltet sich die politische Bildungsarbeit auf Marktplätzen anders als am Rande einer Sozialkonferenz. Die Frage nach der Zeit spielt dabei eine Rolle.


Infostand und Informationsgespräche: Weniger ist manchmal mehr

Eine Zwischenauswertung der bisherigen Arbeit zeigt: Erreicht werden konnten viele Menschen. Manche nutzten das Ange­bot für kurze Informationsgespräche, andere für eine intensive Beschäftigung mit den Inhalten und Themen des Standes. Im Sinne der aufsuchenden Bildungsarbeit wurden die Standorte so gewählt, dass die Menschen von sich aus auf die Angebote aufmerksam wurden und den Stand aktiv aufsuchten. Wenn man der (scheinbaren und tatsächlichen) allgegenwertigen Politikskepsis Glauben schenken würde, müsste ein solcher Informationsstand über politische Themen eigentlich scheitern. Wer will schon am Marktstand, in der Fußgängerzone oder bei einem Fest auf offener Straße über Politik reden? Wer nimmt sich die Zeit für politische Diskussionen über „komplizierte“ Wirtschaftsfragen und die „trockene“ EU? Wer nutzt einen Teil seiner privaten Zeit für spontane Gespräche über die Mindestlohnharmonisierung? Unsere Erfahrungen zeigen, dass diese Befürchtungen unbegründet waren. Die Menschen nahmen das Angebot sehr gut an. Sie kamen mitunter bereits an den Stand, ohne dass wir diesen richtig aufgebaut hatten, verbrachten Zeit an den Informationstafeln oder lasen sich die ausgelegten Informationsmaterialien durch. Deutlich wurde: Viele wollten über ihre eigenen Positionen diskutieren, ihrem Unmut Luft machen oder sich differenziert informieren. Zeitweise entstanden längere Gespräche und Diskussionen auch zwischen den Besucher*innen etwa zu den Themen Verfassungsfeindlichkeit der…

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Der Autor

Daniel Weber leitet die Abteilung Politische Bildung im GSI und verantwortet die Themenfelder Demokratie, Frieden und Nachhaltigkeit. Er ist Diplom Volkswirt, sozialwissenschaftliche Richtung mit Studium in Köln und Dublin und war viele Jahre in der gewerkschaftlichen Bildungsarbeit tätig.

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