Sexbesessenheit – eine weitere Facette der AfD
Daniela Rüther: Die Sex-Besessenheit der AfD. Rechte im ‚Genderwahn‘. Bonn (Dietz Verlag), 2025, 144 S., 18 €
Die umfangreiche Literatur zur AfD wurde mit dem schmalen Band zur „Sexbessenheit“ um eine weitere Facette erweitert. Mit Blick auf programmatische Formulierungen, parlamentarische Anfragen und Anträge sowie Debattenbeiträge von AfD-Fraktionen zur Familienpolitik, Sexualität und Geschlechterfragen untersucht und dechiffriert Rüther das Interesse und die Ideologie, die in ihnen steckt. Mit vielen Beispielen und Belegen aus Kleinen Anfragen, Anträgen und Reden wird deutlich, dass es ihr mit ihrem Anti-Genderismus um eine völkisch-nationale Bevölkerungspolitik und Reinheitsvorstellungen des deutschen Volkes geht.
So fragt die AfD nach den Geburtenzahlen/dem Geburtenschwund und dem Aussterben des deutschen Volkes, nach Abtreibungen und der Schwangerschaftskonfliktberatung. Mit der Überhöhung der Mutterrolle will sie die Drei-Kind-Familie und Steuer- und Kreditgeschenke für deutsche Eltern. Sie spricht von „Genderwahn“, will die Genderforschung als angeblich „unwissenschaftliche Ideologie“ (58) und frühkindliche Sexualerziehung abschaffen, und sie wettert gegen die LGBTQI-Community, geschlechtliche Vielfalt, Sexualaufklärung, Homosexualität, Transsexualität und geschlechtersensible Sprache. Die AfD vertritt mit aller Härte das heteronormative Familienbild „Vater-Mutter-Kind“ (als „Keimzelle der Gesellschaft“) und die Parteivorsitzende Alice Weidel – so der nicht auflösbare Nebenwiderspruch – lebt mit ihrer Frau mit Migrationshintergrund in einer eingetragenen lesbischen Lebensgemeinschaft mit zwei Kindern in Zürich.
Gender ist ein Kampfbegriff der AfD und mit „Genderwahn, Genderirrsinn, Gendergaga“ geradezu zu einer Obsession geworden. Das „Erregungspotential dieser ‚Schimpfwörter‘ ist hoch“ (42). Die AfD will die Entwicklungen bei Gleichstellung und Gender-Mainstreaming sowie weiblicher Emanzipation und Akzeptanz gleichgeschlechtlicher Lebensformen zurückdrehen. Materialreich wird deutlich, mit welcher Penetranz die AfD die Geschlechterforschung – verbunden mit einem „dezidierten Antiintellektualismus“ (61) – zu delegitimieren versucht, das Parlament mit falschen Behauptungen als Bühne benutzt und mit ihrer „Datensammelwut“ (64) die Verwaltung beschäftigt.
Ausführlich thematisiert Rüther die Verschiebung des Diskurses, der sich in der „Gendersprache“, ein weiterer Kampfbegriff, wiederfindet. Dargestellt wird die politische und rechtliche Diskussion um gendersensible Sprache, für die AfD eine Umgestaltung der „natürlich gewachsenen Kultur und Tradition ist“ (83).
Sie nimmt mit ihrem patriarchalen Familienbild und ihren Mutterschaftsideen immer wieder Anleihen aus dem NS-Vokabular und dessen Vorläufern aus der Wilhelminischen Zeit. Propagiert wird eine antifeministische „pronatalistische Bevölkerungspolitik“ (25). Für Rüther steht die AfD in…
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Der Rezensent
Benno Hafeneger lehrte und forscht an der Philipps-Universität Marburg zu Jugend und außerschulischer Jugendbildung und ist Mitglied der Journal-Redaktion.