Fortiter in re – suaviter in modo: Zivilisiertes Streiten in der Demokratie

Joachim Detjen: Demokratische Streitkultur in Zeiten politischer Polarisierung. Baden-Baden (Nomos Verlagsgesellschaft) 2023, 245 S., 54 €

„Die vorliegende Studie ist“ – so der Autor in seiner Einleitung – „von der Sorge um eine angemessene Streitkultur bestimmt.“ (14). Joachim Detjen (geb. 1948) war bis 2013 Inhaber des Lehrstuhls für Politische Bildung an der Universität Eichstätt. Die normativen Gelingensbedingungen der Demokratie bildeten stets einen Schwerpunkt seines Denkens und Forschens, wie etwa eine 2012 erschienene Monografie mit dem Titel „Streitkultur. Konfliktursachen, Konfliktarten und Konfliktbewältigung in der Demokratie“ zeigt. Die hier besprochene Studie greift Aspekte aus diesem Büchlein auf, vertieft, differenziert und erweitert diese. Das Buch gliedert sich in zehn Kapitel, wobei in den ersten sechs Kapiteln ein empirisch-analytischer Zugang dominiert. In den übrigen Kapiteln hingegen geht es in eher normativer Perspektive darum, „Maximen zu formulieren, welche die Streitparteien zwecks Bewahrung von Demokratie und Zivilität zu beachten haben“ (12). Die eingangs erwähnte Sorge gründet für Detjen in maßlosen „Zuspitzungen, Übertreibungen und Dramatisierungen, verbale[n] Aggressionen, Verdächtigungen sowie Diffamierungen der Gegenseite.“ 

Ebenso kritisiert er „übertriebene Empfindlichkeit und moralisierende Hypersensibilität“ (13). Der Autor hebt stets die Notwendigkeit des Streitens in der Demokratie hervor: „Die pluralistische Demokratie sieht Konflikte und Streit also von vornherein als ‚normal‘ und legitim an. Ihr Lebenselixier ist geradezu der Dissens.“ (18). Die Ursache für die mitunter dysfunktionale und demokratieschädliche Streitkultur in Deutschland führt er auf den Wandel von einem gemäßigten hin zu einem polarisierten Pluralismus zurück. „In der Folge“ – so Detjen – „verschlechterte sich das Streitklima und sank an den politischen Rändern die Bereitschaft, Andersdenkende zu akzeptieren und mit ihnen auf zivilisierte Weise zu streiten.“ (5). Detjen spürt der Funktion des Streits in demokratischen Gesellschaften nach und hebt die Bedeutung, aber auch die Grenzen der Meinungsäußerungsfreiheit hervor. Besonders spannend und aufschlussreich sind die Kapitel 3 bis 6, in denen Detjen Kategorien entwickelt, um Diskurse, Konflikte sowie ihre jeweiligen Dynamiken und Akteur*innen besser fassen zu können. Er präsentiert verschiedene Konflikttypen und unterscheidet diese ihrer inneren Struktur nach in teilbare Mehr-oder-Weniger-Konflikte und unteilbare Entweder-Oder-Konflikte, bei denen Verhandlungen und Kompromisse schwierig sind: „Hier beharren die Beteiligten auf ihren Standpunkten, würden diese aus ihrer Sicht durch Konzessionen doch nur kompromittiert werden. Die im Streit vorgebrachten Argumente sind daher besonders konfrontativ“ (55). 

Eine besondere Bedeutung schreibt Detjen dem Konfliktfeld „Identität“ zu, da es im Kern um die Frage…

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Der Rezensent

Veit Straßner ist Politikwissenschaftler (Dr. phil.) und Theologe (Lic. theol.) und als Fachleiter am Studienseminar für das Lehramt an Gymnasien in Speyer in der Lehrerausbildung tätig. Er ist Autor von Schulbüchern und Beiträgen zu fachwissenschaftlichen und fachdidaktischen Themen.

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