Entdeckung des Politischen im Kita-Alltag?!
Ein Plädoyer für demokratische politische
Bildung mit jungen Kindern
Ist Politik schon ein Bildungsthema für die Altersspanne der Null bis
Sechsjährigen? Und haben pädagogische Fachkräfte im Kita-Alltag
überhaupt dafür Zeit? Ein Blick in die Bildungsrahmenpläne für Kindertageseinrichtungen
der Bundesländer zeigt, dass die Begriffe Demokratie
und Partizipation in der Fachdebatte von Kitas angekommen sind.
Kindertageseinrichtungen haben den Anspruch (und die Verpflichtung),
Demokratiebildung von Kindern zu unterstützen. Gleichzeitig tauchen die
Begriffe Politik und politische Bildung im Zusammenhang mit Kitas kaum
auf. Mit welchen Anforderungen werden die pädagogischen Fachkräfte
also konfrontiert? Und was hat das mit Zeit zu tun?
Demokratie wird in vielen Bildungsrahmenplänen
für Kindertageseinrichtungen der Länder als Bildungsziel
und Handlungsprinzip benannt. Politik
als Bildungsinhalt ist aktuell aber lediglich in
Hessen und Schleswig-Holstein explizit ausgewiesen.
Damit stellt sich die Frage, ob Demokratie im
Zusammenhang mit Kindern eher als unpolitisches
Thema verstanden wird.
Wird Demokratie in der Kita
unpolitisch verstanden?
Der 16. Kinder- und Jugendbericht, der sich mit
der Förderung demokratischer Bildung im Kindesund
Jugendalter beschäftigt, defi niert Politik wie
folgt: „Politik ist die Gesamtheit der Aktivitäten
und Strukturen, die auf die Herstellung, Durchsetzung
und Infragestellung allgemein verbindlicher
und öffentlich relevanter Regelungen in und
zwischen Gruppierungen von Menschen abzielt“
(BMFSFJ 2020: 108, Hervh. R. K.).
Überträgt man diese Defi nition auf das Handeln
der pädagogischen Fachkräfte, wird deutlich, dass
sie im Kita-Alltag durchaus auch politisch handeln.
Sie gestalten die Art und Weise, wie in der Einrichtung
Entscheidungen getroffen werden, die
verbindlich für alle gelten sollen. Die pädagogischen
Fachkräfte handeln auch politisch, wenn sie entscheiden,
welche Themen des kommunalen Umfeldes
oder der ‚großen‘ Politik sie in der Kita
aufgreifen. Allerdings bleibt es zunächst offen, ob
ihr politisches Handeln auch demokratisch ist.
Nach Dewey muss sich Demokratie sowohl als
Regierungs- als auch als Lebensform realisieren:
„Die Demokratie ist mehr als eine Regierungsform;
sie ist in erster Linie eine Form des Zusammenlebens,
der gemeinsamen und miteinander geteilten
Erfahrung“ (Dewey 1916/2000: 121). Wenn
politische Bildung nun danach fragt, wie allgemeinverbindliche
Regelungen (hier in der Kita) erzeugt
werden (s. o.), fragt sie nach dem Politischen, der
Regierungsform in der Kita. Wie werden Entscheidungen
gefällt und durchgesetzt und wie können
sie in Frage gestellt werden?
Wenn die Fachkräfte nun das ‚Politische‘ in
ihrem Handeln nicht erkennen, besteht das Risiko,
dass Demokratie lediglich auf der Ebene der Lebensform
und…
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Die Autorin
Dr. Raingard Knauer ist Professorin im
Ruhestand der Fachhochschule Kiel sowie
Mitglied im Institut für Partizipation und
Bildung e. V.