Aus aktiv wird passiv?
Im Kampf gegen die Ausbreitung des Corona-Virus waren flächendeckende Schulschließungen seit Ausbruch der Pandemie eine zentrale politische Maßnahme. Infolgedessen kam es zu erheblichen Lernzeiteinbußen unter allen Schüler*innen, worunter insbesondere Kinder und Jugendliche aus benachteiligten Verhältnissen immer noch leiden. Über die Auswirkungen der Corona-Pandemie auf das deutsche Bildungssystem wird diskutiert und Maßnahmen zu deren Eindämmung aufgezeigt.
Um die Ausbreitung des Corona-Virus einzudämmen, wurde seit Ausbruch der Pandemie das gesellschaftliche Leben in Deutschland wiederholt zurückgefahren, was mit starken Einschnitten persönlicher Rechte einherging. Schulschließungen wurden dabei von den politischen Akteuren als eine zentrale Maßnahme im Kampf gegen die Ausbreitung des Corona-Virus eingeschätzt und im Frühjahr 2020 und Winter 2021 in allen Bundesländern flächendeckend umgesetzt. Mittlerweile gibt es zahlreiche Studien, die belegen, dass die Schulschließungen negative Konsequenzen für die Schüler*innen nach sich zogen. So haben sich während dieser Zeit nicht nur die Lernzeit und die Leistungen der Schüler*innen drastisch reduziert (vgl. Engzell/Frey/Verhagen 2021; Wößmann u. a. 2020). Es hat sich auch gezeigt, dass Schulschließungen die Bildungsungleichheit in Deutschland verstärkten (vgl. Grewenig u. a. 2021).
Vor diesem Hintergrund ist die Bildungspolitik in besonderer Verantwortung. Sie sollte nicht nur passende Konzepte erarbeiten, um weitere potenzielle Lernrückstände durch zukünftige Schulschließungen zu verhindern. Es müssen auch effektive Fördermaßnahmen umgesetzt werden, um die bisher entstandenen Lerneinbußen der besonders betroffenen Schüler*innen zu kompensieren.
Ziel dieses Artikels ist es, die Folgen der Corona-Pandemie für das deutsche Bildungssystem zu diskutieren. Hierfür werden wir zunächst einen Blick auf die Lernzeitverluste der Schüler*innen während der Schulschließungen werfen und anschließend einen Ausblick auf bildungspolitische Maßnahmen zu deren Eindämmung geben. Dazu werden wir u. a. Daten aus einer Online-Umfrage unter 1.099 Eltern schulpflichtiger Kinder in Deutschland heranziehen (für Details zum Studiendesign vgl. Wößmann u. a. 2020). In dieser Umfrage haben wir gemessen, wie viele Stunden pro Tag die Schüler*innen vor und während der ersten Schulschließungen mit verschiedenen Aktivitäten verbrachten und mit welchen Lernangeboten Schulen und Lehrkräfte die Kinder während der Schulschließungen unterstützten.
Halbierung der Lernzeit
Zunächst betrachten wir, welche Auswirkungen die Corona-Schulschließungen auf die Lernzeit der Kinder hatten. Dazu haben wir die Eltern gefragt, wie viele Stunden ihr Kind an einem typischen Werktag während der Schulschließungen im Frühjahr 2020 mit unterschiedlichen Aktivitäten verbracht hat. Dieselben Fragen haben wir dann auch für einen…
Weiterlesen mit JOURNAL+
Lesen Sie diesen und alle weiteren Beiträge aus dem Journal für politische Bildung im günstigen Abonnement.
Mit Ihrem Abonnement erhalten Sie die vier gedruckten Journal-Ausgaben im Jahr sowie vollen Zugriff auf alle Journal+ Beiträge des Online-Angebots.
Jetzt abonnieren
Sie haben das Journal für politische Bildung bereits abonniert?
Jetzt anmelden
Autor*innen
Dr. Elisabeth Grewenig, ist Wissenschaftlerin im Forschungsbereich „Ungleichheit und Verteilungspolitik“ am Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW), Mannheim. Forschungsschwerpunkte: Bildungs- und Familienökonomik.
Dr. Larissa Zierow ist stellvertretende Leiterin am ifo Zentrum für Bildungsökonomik des ifo Instituts in München. Forschungsschwerpunkte: Bildungspolitik mit einem Fokus auf Schulreformen und Bildungsungleichheit.