Zum Hauptinhalt springen Zur Suche springen Zur Hauptnavigation springen

Auf den Spuren jüdischer Erwachsenenbildung

Einblicke in das Freie Lehrhaus Göttingen

Zur Geschichte der Jüdischen Lehrhäuser
Der Ansatz der freien jüdischen Lehrhäuser geht auf den jüdischen Philosophen Franz Rosenzweig zurück, der 1920 in Frankfurt am Main das erste Lehrhaus als Ort dialogischer, nicht-konfessioneller jüdischer Erwachsenenbildung gründete. Jüdische Lehrhäuser sind Bildungseinrichtungen, die sich durch ihre Offenheit für unterschiedliche gesellschaftliche Gruppen auszeichnen und eine Verbindung zwischen traditioneller jüdischer Bildung und modernen Fragestellungen schaffen. Im Gegensatz zu den traditionellen Jeschiwot, die vor allem angehende Rabbiner ausbilden, richten sich die Lehrhäuser an ein breites Publikum, darunter auch Laien. Zentral für das Konzept der Lehrhäuser ist das gemeinschaftliche Studium religiöser Texte wie der Tora und des Talmuds sowie die Diskussion philosophischer und literarischer Werke. Ziel ist es, die jüdische Tradition in den Dialog mit der modernen Welt zu bringen und dabei sowohl religiöse Bildung als auch eine ethische Orientierung für den Alltag zu vermitteln.

Das Jüdische Lehrhaus Göttingen wurde im Jahr 2002 von Eva Tichauer Moritz gegründet. Geboren wurde sie in Chile, wohin ihre Eltern in den 1930er Jahren vor der Verfolgung durch die Nationalsozialisten geflohen waren. Während ihrer Schulzeit arbeitete sie als Journalistin, studierte dann Pädagogik und Spanisch. Wegen ihres politischen Engagements geriet sie während der Pinochet-Diktatur in Gefahr und wurde 1975 auf Initiative der deutschen Regierung zusammen mit ihrem Ehemann und ihren beiden Kindern nach Deutschland ausgeflogen. Hier war sie dreißig Jahre als Lektorin für Spanisch tätig, zunächst in Hamburg, dann in Göttingen.


Reaktivierung der jüdischen Gemeinde Göttingen

In Göttingen engagierte sie sich zunächst für die Lateinamerika-Vereine der Stadt, danach in der Aids-Hilfe. Angeregt durch den Göttinger Oberbürgermeister Arthur Levi, machte sie sich zur Aufgabe, das nach 500 Jahren Geschichte ausgelöschte Judentum in der Stadt wiederzubeleben. 1994 reaktivierte sie gemeinsam mit andern die (liberal ausgerichtete) jüdische Gemeinde, deren Vorsitzende sie bis 2001 war. Aufgrund von Unstimmigkeiten über das Verständnis, was Judentum heute bedeute, gründete sie 2005 die konservative Jüdische Kultusgemeinde Göttingen. Angelehnt an den Prinzipien der im 19. Jahrhundert entstandenen Masorti-­Bewegung, sollte diese Gemeinde die traditionellen Werte und Bräuche des Judentums mit der modernen Welt verbinden.

Eine Herausforderung stellte für sie der Zuzug zahlreicher jüdischer sogenannter…

Weiterlesen mit JOURNAL+

Lesen Sie diesen und alle weiteren Beiträge aus dem Journal für politische Bildung im günstigen Abonnement.
Mit Ihrem Abonnement erhalten Sie die vier gedruckten Journal-Ausgaben im Jahr sowie vollen Zugriff auf alle Journal+ Beiträge des Online-Angebots.
Jetzt abonnieren
Sie haben das Journal für politische Bildung bereits abonniert?
Jetzt anmelden

Der Autor

Hermann Engster hat Nordistik und Germanistik studiert. Er war in der Erwachsenenbildung im Bereich ­Fremdsprachen tätig und ist Dozent an der Universität des dritten Lebensalters der Univ. Göttingen. Dort hält er Seminare und Vorträge zu Literatur und Opern.